Dass ein Herz richtig funktioniert, ist die Grundvoraussetzung nicht nur für sportliche Aktivität, sondern für das gesamte Leben. Doch was passiert, wenn dieses zentrale Organ schwer erkrankt? In manchen Fällen kann nur noch eine Herztransplantation helfen. Eine solche Operation bedeutet medizinisch wie emotional einen tiefen Einschnitt in das Leben von Betroffenen. Aber sie kann auch der Beginn eines neuen Kapitels sein, geprägt von Lebensqualität, neuer Energie und sogar sportlichen Erfolgen. Regina Richtmann ist ein Beispiel dafür. Die Starnbergerin erhielt vor rund zwei Jahren nach langer Krankheitsgeschichte ein Spenderherz – und hat sich seitdem Schritt für Schritt zurück ins aktive Leben und in den Wettkampfsport gekämpft.
Schon als Neugeborene wurde bei ihr eine Verdickung des Herzmuskels diagnostiziert, es folgten Jahre voller medizinischer und körperlicher Einschränkungen. 2022 kam sie auf die Hochdringlichkeitsliste, wenig später wurde sie transplantiert. Nur ein Jahr später nahm sie bereits beim Organspendelauf teil. 2025 ging sie bei weiteren Wettbewerben an den Start, unter anderem der Organspendenlauf in München sowie dem Sprintdistanz Triathlon der World Transplant Games in Dresden über 500 m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen.
Das ist eine immense persönliche Leistung. Die Geschichte zeigt aber auch, dass Leistungssport nicht nur Medaillen bedeutet: Er kann neue Energie schenken, Struktur geben und Perspektiven eröffnen, gerade nach einschneidenden Erlebnissen wie einer Organtransplantation. Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Regina, wie würdest du deinen Weg von der Diagnose bis zu deiner Rückkehr in den Sport zusammenfassen?

Regina Richtmann mit Felix Friedrich aus Starnberg, ein lebertranspantierter Triathlet, der bei den World Transplant Games in seiner Altersklasse Gold holen konnte.
Der Weg von der Diagnose bis zu meiner Rückkehr in den Sport war eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod – begleitet von Angst, Unsicherheit und Momenten tiefer Verzweiflung. Immer wieder bin ich gestolpert, habe Kraft verloren und musste mich neu aufrichten. Doch dank meiner Familie, medizinischem Fachpersonal und meinen Freunden hatte ich Menschen an meiner Seite, die mich getragen und mir Mut gegeben haben, wenn ich selbst keinen mehr hatte.
Ohne diese Unterstützung hätte ich diesen Weg nicht bis ans Ziel geschafft. Heute, nach meiner Transplantation, blicke ich mit Dankbarkeit und Stolz zurück. Ich habe gelernt, dass wahre Stärke nicht bedeutet, alles allein zu schaffen, sondern weiterzugehen – trotz Rückschlägen.
Mit meinem Spenderherz lebe ich nicht nur für mich, sondern auch für meine*n Spender*in. Ich treibe Sport, um meine Gesundheit zu stärken, aber auch, um anderen zu zeigen: Es gibt immer Hoffnung – und es lohnt sich, niemals aufzugeben.
Was hat dich motiviert, so schnell wieder sportlich aktiv zu werden?
Als ich selbst keinen Sport machen konnte, habe ich immer die Menschen bewundert, die Sport treiben. Ich habe zu ihnen aufgeschaut und mir gesagt, dass ich eines Tages auch ohne Ängste und Sorgen in völliger Freiheit Sport machen kann. Jetzt, wo es so weit ist, möchte ich für die, die es selbst nicht mehr können, Schwimmen, Radeln und Laufen.
Plötzlich klingelt das Telefon. Jetzt geht es los. Welche Gedanken gingen dir durch den Kopf, als du die Nachricht von der Transplantation erhalten hast?
Durch die Wartezeit von drei Jahren und vier Monaten dachte ich, dass ich mich gut auf den Zeitpunkt vorbereiten konnte. Doch als der Moment kam und mir nach vier Monaten auf Intensivstation in der Nacht um 3:30 gesagt wurde, dass ein Spenderherz für mich da ist, konnte ich nicht anders als in Tränen auszubrechen. Der Moment, auf den ich so viele Jahre hoffte, war greifbar nah. Plötzlich traute ich mich wieder darüber nachzudenken, wie es wohl sein wird, dank meines Spenderherzens zu laufen, Treppen zu steigen, ohne Pausen nach jeder Stufe einlegen zu müssen oder einfach mit meiner Familie im See zu schwimmen. Ich hatte viele Träume als es für mich in den OP ging, aber das größte war es, 10 Meter am Stück zu laufen, ohne Angst um mein Leben haben zu müssen. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass ich nur eineinhalb Jahre später meinen ersten Triathlon mache.
Triathlon mit Spenderherz – geht das überhaupt? Welche medizinischen Rahmenbedingungen musst du heute im Training besonders beachten?
Als ich meine Kardiologin aus der Transplantationsambulanz fragte, auf was ich beim Sport – insbesondere Leistungssport – achten sollte, lächelte sie mich verschmitzt an und sagte: „Wenn sie nicht mehr können, werden sie das schon merken.“ Nach dem Motto mache ich Sport – also eigentlich so wie jede*r andere auch.
In unserer Gesellschaft besteht leider nach wie vor der Irrglaube, dass man ein transplantiertes Organ schonen muss. Ganz im Gegenteil aber kann der Sport wie eine Art Medizin für Transplantierte angesehen werden. Jede Art von Bewegung – egal in welchem Ausmaß und Rhythmus – sind wichtig für unseren Körper und das Spenderorgan.
Im Fall der Herztransplantation werden die Nerven zum Herz gekappt, was bedeutet, dass die Kommunikation zwischen Hirn und Spenderherz nicht funktioniert. Erst durch Adrenalin, das der Körper zum Beispiel beim Sport ausschüttet, merkt das Herz, dass es schneller schlagen muss. Durch Sport werden also regelmäßig Impulse an das Spenderherz gegeben, was dazu führen kann, dass die Nervenbahnen zwischen Gehirn und Spenderherz teilweise wiederhergestellt werden können. Sportmediziner und Kardiologen sind sich in meinem Fall einig, da mein Puls so schnell ansteigt, dass zumindest ein paar Nerven wiederhergestellt sein müssen, was wahrhaftig ein Wunder ist.
Welche sportlichen Ziele hast du dir für die nächsten Jahre gesetzt?
Die meisten ambitionierten Sportler arbeiten auf eine Medaille oder eine neue Bestzeit hin und da möchte ich mich nicht ausschließen. Natürlich versuche auch ich meine Zeiten zu optimieren und eventuell die ein oder andere Medaille mit nach Hause zu nehmen. Aber selbst wenn ich das nicht schaffe, bin ich nicht enttäuscht, denn wenn ich ehrlich bin, trage ich die wertvollste Medaille schon eine Weile in meiner Brust.
Mein größtes Ziel für die nächsten Jahre ist es zu zeigen, dass wir Transplantierte nicht wie ein rohes Ei behandelt werden müssen, sondern auch ein ganz normales Leben führen können. Ich möchte eine Motivation für Wartepatienten oder bereits Transplantierte sein und den verbliebenen Angehörigen verschiedenster Spenderfamilien zu zeigen, dass ihre Entscheidung zur Organfreigabe nicht umsonst war. Deshalb steht für mich als nächstes eine Mitteldistanz an, auf die ich mich schon fleißig vorbereite.
Was bedeutet dir der Sport heute im Vergleich zu der Zeit vor deiner Transplantation?
Der Sport bedeutet für mich Freiheit und lebendig sein. Vor meiner Transplantation wäre nicht ansatzweise an Sport – geschweige denn Leistungssport – zu denken gewesen. Jetzt kann ich, wann immer ich möchte, ohne Einschränkungen Sport treiben und diese Freiheit in vollen Zügen genießen, die mir meine ganze Kindheit und Jugend verwehrt blieb.
Früher war der Begriff Sport für mich etwas Unerreichbares, was ich immer nur bei anderen sehen konnte, aber nie selbst erleben durfte. Dank meines Spenders/ meiner Spenderin darf ich nicht nur mein zweites Leben genießen, sondern auch erfahren, wie sich der Körper anfühlt, wenn man an sein Limit geht und alles gibt.
Vor der Transplantation bedeutete ein Puls von über 120 Angst vor dem nächsten Kammerflimmern, Angst vor dem Tod, dem ich so viele Male nur knapp entkommen bin. Deshalb gibt es kein größeres Geschenk als das Spenderherz in meinem Kopf schlagen zu spüren, das mir zeigt: ich bin am Leben.
Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mit auf den Weg geben, die selbst gesundheitliche Herausforderungen meistern müssen?
Gesundheitliche Herausforderungen zwingen uns oft neu zu denken – über das Leben, über uns selbst und über das, was wirklich zählt. Ich wünsche jeder Person, die gerade kämpft, dass sie nicht den Mut verliert. Es ist okay, schwach zu sein, es ist okay, Hilfe anzunehmen und es ist völlig in Ordnung, neue Wege zu gehen. Es gibt immer Hoffnung und manchmal beginnt die Stärke genau dort, wo wir dachten, keine mehr zu haben.
Vielen Dank und weiterhin viel Freude am Sport!
Fotos: ©️WTG2025/YesVideography, ©www.sportshot.de und private Aufnahme