Familie Walchshöfer: Als Familie eine Triathlon-Weltmarke geschaffen
Die Kleinstadt Roth ist weltbekannt. So kann es einem passieren, dass man irgendwo auf der Welt gefragt wird, woher man käme und die Person gegenüber bekommt mit der Antwort „Roth“ glänzende Augen. Grund dafür ist der Challenge Roth, der das sonst eher unbekannte Städtchen im malerischen Mittelfranken zum Triathlon-Epizentrum machte und jedes Jahr auf neue macht.
Alles begann Anfang der 1980er-Jahre, als Detlef Kühnel (sein Porträt lesen Sie hier) durch seinen Sportkameraden Manuel Debus von einer neuen Sportart hörte, die in den USA an Popularität gewann: Triathlon. Die Idee, Schwimmen, Radfahren und Laufen in einem Wettkampf zu vereinen, faszinierte ihn. Seine erste Erfahrung damit – ein Erlebnis. Er setzte alles daran, das neue Format auch in Deutschland bekannt zu machen.
Von Beginn an dabei war Herbert Walchshöfer. Er war damals noch stellvertretender Geschäftsführer der Congress- und Tourismuszentrale Nürnberg und war bei dem neuen Event für Presse, Marketing sowie Moderation im Zielbereich verantwortlich. Diese Voraussetzungen sollten sich als perfekt erweisen, denn schnell wurde das Rennen bekannt und beliebt – weit über Roth und sogar Deutschland hinaus.
Eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte entwickelte sich, die 2002 ein neues Kapitel aufschlug. Statt Teil der internationalen Rennserie Ironman zu sein, wurde das Rennen nun eigenständig. 2001 war nämlich der Vertrag mit den IRONMAN Lizenzgebern nicht mehr verlängert worden, nachdem diese für die Veranstalter unannehmbare finanzielle und organisatorische Forderungen gestellt hatten. Detlef Kühnel verpachtete die vollständig und umfassend aufgebaute Triathlon-Veranstaltung mit allen Resourcen.
„Challenge“ sollte das Rennen von nun an heißen und erstmalig federführend durch Herbert Walchshöfer geleitet werden. Das Konzept der Triathlon Staffeln, bei dem ein Team aus drei Teilnehmenden je eine Disziplin absolviert und dann gemeinsam ins Ziel läuft, wurde als Innovation eingeführt. Schnell war klar: auch die Marke „Challenge“ kann sich erfolgreich etablieren.
Familienunternehmen mit außergewöhnlicher Ausrichtung
Die Walchshöfers hatten erkannt, dass Triathlon mehr als ein Wettkampf ist; es ist eine Lebenseinstellung. Mit Liebe zum Detail, unermüdlichen Einsatz und Gespür für die Bedürfnisse aller Beteiligten schufen sie eine Veranstaltung, die Sportler, Helfer und Zuschauer gleichermaßen begeistert. Alice Walchshöfer, die unverzichtbare Kraft hinter den Kulissen, kümmert sich um die organisatorischen Feinheiten. Sie ist es, die die familiäre Atmosphäre und Herzlichkeit prägt, die bis heute eines der Markenzeichen des Rennens in Roth ist. Gemeinsam mit ihrem Mann führte sie die Veranstaltung durch Höhen und Tiefen – von der ersten Begeisterung bis zu den Herausforderungen der Professionalisierung. Nach dem plötzlichen Tod von Herbert Walchshöfer 2002 übernahmen die Kinder Felix und Kathrin mit das Ruder. Sie entwickeln seither die Veranstaltung weiter, sorgen für Innovationen und dafür, dass der Triathlon in Roth seinen Platz als einer der besten Wettkämpfe weltweit behauptet.
Hallo Alice,
Triathlon-Rennen sind oft Familienunternehmen. Da stehen im Hausgang Kartons, das kleine Büro quillt über mit Dokumenten und das private Telefon wird zur Renn-Hotline. Wie war es in den Anfängen, als dein Mann Triathlon ‚mit nach Hause brachte‘, und wie erlebtest du die ersten Jahre eures Rennens?
Wenn man hin und wieder die Bilder ansieht, ist es im Nachhinein schon verrückt, wie wir damals das Rennen vorbereitet haben. Aber anders ging es letztendlich nicht. Wir hatten keine Mittel, um uns ein eigenes Büro zu leisten. Für uns war das quasi Home-Office der anderen Art. Die Anmeldung selbst war noch nicht innerhalb von Sekunden ausgebucht. Die rund 2.000 Athletinnen und Athleten des ersten Challenge werden sich sicherlich erinnern: Über das ganze Jahr hinweg konnten sich Sportlerinnen und Sportler per Brief, Telefonanruf oder sogar über das klassische Fax für den Start im Juli anmelden. Nach diesem ersten Kontakt versendeten wir einen Anmeldebogen per Post. Dieser musste vollständig ausgefüllt, mit einem Portraitfoto versehen und zusammen mit der Überweisungsbestätigung an uns zurückgeschickt werden.
Gerade das erste Jahr unter dem Challenge-Label 2002 war natürlich von großer Unsicherheit geprägt, da wir nicht wussten, wie das Rennen unter neuem Namen angenommen wird. Nachdem das Rennen mit dem Herzschlagfinale von Lothar Leder und Chris McCormack weltweit in den Schlagzeilen war und sich die Anmeldezahlen steigerten, war uns bewusst: Ja, wir sind auf einem sehr guten Weg!
Welche Rolle spielt heute noch die Familie in so einem umfassenden Projekt, das längst auch Unternehmen ist?
Privates und Geschäftliches zu trennen, mussten wir über die Zeit erst lernen. Gerade nach dem Tod von Herbert mussten wir uns alle etwas umgewöhnen. Formal ist es so, dass Kathrin, Felix und ich gleichberechtigte Geschäftsführer von TeamChallenge sind. Wir vertrauen uns gegenseitig blind und pflegen einen sehr offenen Umgang. Jeder hat eigene Arbeitsbereiche, die er bzw. sie federführend übernimmt. Bei allen wichtigen Entscheidungen stimmen wir uns aber sehr eng innerhalb ab. Bei der Entscheidungsfindung binden wir auch das ganze Team ein, um alle Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln zu hören. Mittlerweile umfasst unser Team 13 Personen, die sich ein Jahr lang darum kümmern, den DATEV Challenge Roth jedes Jahr zu einem vollen Erfolg zu machen.
Welcher Moment ist eure persönliche Lieblings-Erinnerung?
Alice: Wenn alle Athletinnen und Athleten im Wasser sind und der Startschuss fällt, dann weiß ich: Ok, jetzt sind alle Vorbereitungen erledigt, der Tag wird für unzählige Menschen einer der schönsten Tage des Jahres. Emotional war das Rennen besonders im Jahr 2006. Herbert hat hier sein Versprechen eingelöst und ist trotz seiner schweren Krankheit nochmal an die Finishline gekommen. Alle Zuschauer und Athleten haben ihn applaudiert. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut.
Felix: Ganz besonders sind die Momente, in denen meine Schwester und ich auf der Strecke unterwegs sind und uns persönlich bei den Volunteers bedanken. Was sie alles leisten, um für den Triathlontag des Jahres zu sorgen, kann man mit Worten gar nicht ausdrücken; es sind einfach die besten Helferinnen und Helfer der Welt. Meine Lieblings-Erinnerung ist Fireman Rob, der mit seinem kompletten Feuerwehrequipment das Rennen absolvierte um Spenden für die Hinterbliebenen von 9/11 zu sammeln; absolut beeindruckend.
Kathrin: Mein Highlight ist immer die Finishline-Party. Wenn die letzten Finisher ins Stadion einlaufen, bekomme ich automatisch Gänsehaut. Wenn man direkt vor Augen sieht, was unsere Arbeit für die Menschen bedeutet, erfüllt einen das mit großem Stolz und Freude. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir Sister Madonna Buder, die als Nonne mit 83 Jahren das Abenteuer Langdistanz angegangen ist.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Triathlons?
Alice: 40 Jahre Triathlon ist eine beeindruckende Zahl. Ich wünsche mir natürlich, dass diese Historie auch angemessen sichtbar und für jedermann erlebbar ist, nicht nur während der Rennwoche, sondern auch an allen anderen Tagen im Jahr. Ein Triathlonmuseum in Roth, das würde doch Sinn machen, oder?
Kathrin: Ich möchte künftig noch mehr Menschen zusammenbringen, egal ob Sportler oder Menschen, die mit Ausdauersport nicht so viel anfangen können. Mit dem Festival Market haben wir in diesem Jahr einen großen Schritt in eine solche Richtung gemacht. Wir laden jedes Jahr alle Menschen ein, sich hier in Roth umzusehen und die positive Atmosphäre einfach aufzusaugen.
Felix: Die gesellschaftliche Entwicklung geht eher in die Richtung „ich, ich, ich“. Deshalb wünsche ich mir, dass Roth hier gegen den Trend agiert und alle gemeinsam, Partner, Gemeinden, Volunteers, Ehrenamt, Sportlerinnen und Sportler, der Verband und alle Unterstützer weiterhin an einem Strang ziehen. Nur gemeinsam kann man Großes schaffen.
Vielen Dank für euren unermüdlichen Einsatz!
Der Beitrag erschien im Rahmen der Serie „40 Jahre Triathlon in Bayern“. Alle Beiträge finden Sie hier.
Fotos: Franziska Krois, TeamChallenge, Christoph Raithel