Detlef Kühnel: Der Mann, der Triathlon nach Bayern brachte
Wenn man über die Geschichte des Triathlons in Bayern spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Detlef Kühnel. Der gebürtige Mittelfranke ist untrennbar mit der Entstehung und dem Erfolg des Triathlons in Bayern und insbesondere in Roth verbunden – jenem kleinen Ort, der heute als Mekka des Langdistanz-Triathlons gilt. Mit seiner Leidenschaft, Vision und Beharrlichkeit legte Kühnel vor 40 Jahren die Grundlagen für das, was heute eine der größten Sportveranstaltungen der Welt ist.
Ein Pionier mit unermüdlicher Vision
Sportlich und engagiert war Detlef Kühnel seit jeher: Aufgrund einer Schulterverletzung hatte er 1974 zwar das Tennisspielen aufgegeben, widmete sich dann jedoch umso mehr dem Reitsport. 1975 war er Mitgründer des Vereins „Reiterhof Roth Kiliansdorf“ und nahm ab 1976 an Reitturnieren teil. Auch die Veranstaltungsorganisation hatte es ihm bereits angetan: von 1977 bis 1979 verantwortete er als Vorstandsmitglied des Reitvereins Reitturniere auf dem Festplatz in Roth, der später zum Triathlon-Epizentrum werden sollte. Neben dem Reitsport betrieb er immer auch Ausdauersport, lief Marathon, 100 km-Läufe und Skilanglauf.
Die Triathlon-Geschichte begann dann in den frühen 80er Jahren. Gemeinsam mit Sportkamerad Manuel Debus ließ er sich von den ersten Berichten über den Ironman auf Hawaii faszinieren. 1982 waren beide dann die ersten Deutschen, die an dem Rennen auf der Pazifikinsel teilnahmen – zu der Zeit hatte Kühnel übrigens bereits eine Marathon-Bestzeit von 2:53:21 stehen, die er 1983 beim 3. Hoechst-Marathon in Frankfurt auf 2:45:39 h verbesserte. Seine Hoffnung darauf, beim Triathlon abschließenden Marathon damit punkten zu können, sollte sich jedoch nicht erfüllen. Doch dazu später mehr.
1983 folgte das zweite Finish auf Hawaii und damit reifte der Plan, dieses außergewöhnliche Konzept nach Deutschland zu holen. Was in den USA ein waghalsiges Abenteuer war, konnte doch auch in Franken funktionieren – zumindest war Kühnel davon überzeugt. Mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter gründete er als langjähriges Mitglied des Vereins „TSV 1859 Roth“ zunächst die erste Triathlonabteilung.
Als 1984 der BTV gegründet wurde, übernahm Kühnel das Amt des Sportwarts. Klar, dass sein Verein bereits Mitglied in dem neuen Verband war. Und so, sagt er heute, „war es selbstverständlich, in Einvernehmen mit dem Verein, ein Rennen zu veranstalten“. So fand 1984 der erste „Franken Triathlon“ über die Kurzdistanz mit 700m Schwimmen, 40km Radfahren und 10km Laufen statt.
Damals ahnte niemand, welche Dimensionen das Event einmal annehmen würde. Doch die Begeisterung war sofort da: 83 Athleten gingen an den Start, und Zuschauer ließen sich von der Faszination dieses neuen Sports mitreißen.
Roth wird zur Weltbühne
In den folgenden Jahren wuchs der Wettkampf stetig. Kühnel und sein Team investierten unermüdlich Zeit und Energie, um den Triathlon professioneller und attraktiver zu gestalten. 1985 wurde in der fränkischen Kleinstadt bereits die erste Bayerische Meisterschaft ausgetragen, 1986 die Deutsche Meisterschaft und 1987 die Europameisterschaft. Ein steiler Aufstieg, der sich in den folgenden Jahren fortsetzen sollte.
1988 wurde der Wettkampf als weltweit vierte Qualifikationsveranstaltung für Hawaii Teil der Ironman-Serie, was Roth auf die internationale Triathlon-Landkarte brachte. Kühnel hatte damit einen weiteren Meilenstein erreicht: 1990 übertrug das ZDF erstmals den IRONMAN neun Stunden live. Eine Sensation. In der Folge kamen zu den deutschen Spitzenathleten auch Weltklasse-Athleten wie Mark Allen und Paula Newby-Fraser nach Roth und lockten weit über 100.000 Fans an die Strecke. Bis 2001 verantwortete Detlef Kühnel den bis dahin unter „Ironman Europe“ bekannten Wettkampf, bevor er die Organisation an Herbert Walchshöfer abgab. Auch lange Jahre danach war er in Triathlon-Bayern mit Meinung, Ideen und Impulsen aktiv.
Sein über Jahre hinweg beständiges Engagement für den Triathlon-Sport wurde 2014 von der Zeitschrift triathlon durch den „Lifetime- Award“ honoriert, bei dem DTU-Präsident Prof. Dr. Martin Engelhardt die Laudatio hielt. In der Einladung zu dieser Ehrung stand:
„Wir möchten uns für Ihre Pionierleistung im deutschen Triathlon-Sport gebührend bedanken, denn Sie haben mit Ihren beiden Starts 1982/83 beim IRONMAN in Hawaii die Sportart Triathlon in Deutschland erst richtig in den medialen Fokus gerückt und mit der Etablierung und Professionalisierung der Veranstaltung IRONMAN-Europe in Roth den Weg für den deutschen Triathlon-Sport geebnet. Ohne Sie gäbe es vermutlich keine 75.000 Triathlon-Sportler im Lande und ohne Sie gäbe es keine Großveranstaltungen wie Roth, Frankfurt und Hamburg. Darüber hinaus brachten Sie sich als Vizepräsident der Deutsche Triathlon-Union in den entscheidenden Aufbaujahren des Verbandes verantwortlich ein. Für Ihre beharrliche Pionierleistung und für Ihren Mut, wie Sie Ihre Visionen von 1984 bis 2001 umsetzten und für die Sache Triathlon kämpften, zeichnen wir Sie aus.“
Wegbereiter für den organisierten Sport
Doch Detlef Kühnel war mehr als Organisator. Er war ein Visionär, der immer nach vorne dachte. Seine Ideen und Vorstellungen brachte er auch in den strukturellen Anfängen der Triathlon-Verbände ein, begleitete die Entstehungen des Bayerischen Triathlon-Verbandes, der Deutschen Triathlon Union und selbst der International Triathlon Union. Mit seiner Pionierarbeit hat Detlef Kühnel nicht nur Roth, sondern auch den Triathlonsport in Bayern und Deutschland geprägt.
Herr Kühnel, wie kamen sie Anfang der 80er Jahre zum Triathlon und wie hatten sie von dem noch jungen Rennen auf Hawaii erfahren?
Manuel Debus und ich erhielten erst Anfang April 1982 die Ausschreibung für den Ironman Hawaii. Nach sofortiger Anmeldung dauerte es aber noch ca. sechs Wochen, bis wir die Anmeldung bestätigt bekamen. Erst Ende Mai kauften wir uns Rennräder und begannen dann mit dem Schwimm- und Radtraining. Das Laufen war nicht unser Problem. Wir hatten aber überhaupt keine Ahnung, wie man sich auf so ein Abenteuer trainingsmäßig vorzubereiten hat. Es gab niemanden, der uns spezielle Trainingstipps hätte geben können. Man hat uns eher für bekloppt gehalten.
Und so waren dann, aufgrund der kurzen und dilettantischen Vorbereitung, verständlicherweise auch unsere Leistungen, insbesondere meine auf der Laufstrecke, grottenschlecht. Im Vorfeld hatte ich gedacht, der Lauf wäre meine Stärke.
Wie erinnern Sie sich an die Anfänge des Triathlons in Roth?
Nach der Gründung der Triathlon-Abteilung im TSV Roth, waren wir anfänglich etwa sieben Kumpels aus unterschiedlichen Sparten, die sich anschickten, ein Triathlon-Training zu entwickeln. Mit den Expertisen, die wir von Trainern (auch außerhalb des TSV Roth) erhalten konnten, bauten wir nach und nach unser Training auf. Gespräche mit anderen Triathleten bei Wettkämpfen über Trainingsmaßnahmen waren willkommen, manchmal auch hilfreich. Wir waren allesamt irgendwie Pioniere. Aber auch irrlichternde Abenteurer, weil richtig Trainingsmethoden einfach unbekannt waren. Das war damals eine spannende Zeit des sportlichen Suchens und sich darin Findens. Was wir ganz schnell gefunden hatten, war der Zusammenhalt. Neben dem sportlichen Ehrgeiz wurde das Bewusstsein beflügelt, dass wir über so viel Wagnis- und Organisationskapital verfügen, um weitere Triathlon-Veranstaltungen erfolgreich und mit Freude anzubieten, was ja dann auch geschah.
Was war für Sie der entscheidende Moment in den ersten Jahren?
In den ersten Jahren gab es gleich mehrere entscheidende Momente, nämlich:
- Das O.K. vom damaligen 1. Vorsitzenden des TSV Roth, Manfred Jakob, zur Gründung der Triathlon-Abteilung.
- Das Gelingen des ersten Franken Triathlons.
- Die Abfolge der „Meisterschaftsjahre“ von 1985 bis 1987, die aufgrund einer mittlerweile erlangten Professionalität in Sachen Organisation uns ungeahnte Höhen erreichen ließ, was ja bekanntlich 1988 im Ironman Europe aufging.
1984 hatte ich natürlich noch nicht die Erwartung, einmal internationale Triathlon Geschichte zu schreiben. Diese Ambition begann allerdings mit der Triathlon Europameisterschat 1987 in Roth. Da hatten wir, das Team, Blut geleckt. Die Folge war dann ja auch bekannterweise der IRONMAN und in der Abfolge auf dessen Fundament schließlich der Challenge Triathlon, den ich im Organisations-Stab von 2002 bis 2006, also noch fünf Jahre, in verantwortlicher Position nach Kräften unterstützte.
Wenn Sie heute auf den Triathlonsport blicken, was würden sie sich für die Zukunft wünschen?
Bei all der Begeisterung über die immer wieder in beeindruckender Weise aufgestellten Weltbestleistungen von Athletinnen und Athleten, speziell auf der Ultra-Distanz, wünsche ich mir, dass wir niemals unlautere Situationen erleben werden, wie sie der Radsport, vor allem im Zusammenhang mit der Tour de France, vor vielen Jahren hatte der Sportwelt eingestehen müssen.
Vielen Dank für das unermüdliche und herausragende Engagement!
Der Beitrag erschien im Rahmen der Serie „40 Jahre Triathlon in Bayern“. Alle Beiträge finden Sie hier.
Fotos: private Aufnahmen