Fred Over: Kampfrichter und KR-Offizieller der ersten Stunde

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Forscht man nach Fred Over, findet man zahlreiche Hinweise auf einen engagierten Menschen, der sich mit Leidenschaft für die Gesellschaft engagiert. Der pensionierte Polizist aus Ingolstadt ist nicht nur aufgrund seiner beruflichen Vergangenheit bekannt und geschätzt. Er engagiert sich heute vor allem politisch in der Stadt, sitzt für die ÖDP im Stadtrat, setzt sich für Mensch und Natur ein.
„Ich bin schon umtriebig und sehr aktiv“, gibt er im Telefongespräch zu. Dass der 69-Jährige auch im Triathlon viel gewirkt und bewirkt hat, findet man in der Online-Recherche hingegen nicht. „Das war ja auch noch vor der Zeit, inder es Internet gab“, lacht er. Dass ihm das Engagement von damals immer noch mit Freude erfüllt, merkt man jedoch sofort.  „Da kommen sofort viele Geschichten und Erlebnisse hoch! Wenn dich der Sport Triathlon einmal gepackt hat, bist du mit Haut und Haaren verloren“, scherzt er und direkt sprudeln die ersten Erinnerungen hervor.

Hallo Herr Over,
wann und wie kamen Sie zum Triathlon?

Beim ersten Eichstätter Triathlon – veranstaltet vom SV Marienstein im Jahre 1984 – war ich noch Zuschauer. Ich fühlte sofort Bewunderung für die Sportlerinnen und Sportler. Besonders auffällig für mich, war das Motto „Finishen!“. Es ging in der Breite nicht darum, aufs Podium zu kommen, sondern den Wettkampf zu absolvieren, durchzustehen und eben nicht aufzugeben. Zudem kam ich damals aus dem Straßenlauf und bin Marathons gelaufen. Diese Belastung war mir dann doch auf die Dauer zu einseitig. Mit Triathlon war diese eher ganzheitlich.
Ein Jahr später nahm ich dann mit einem geliehenen Rennrad in Eichstätt teil und fasste den Entschluss, dabei zu bleiben. Es wurden bis zum Ende meiner aktiven Zeit etwa 60 Triathlons und Duathlons, gekrönt von der Teilnahme am IRONMAN im Jahr 1990 in Roth bei dem mein Freund und Mitstreiters Detlef Kühnel, Rennchef war. Davor und danach war ich dort Chefkampfrichter und habe die Dopingkontrollen organisiert. (Ein gewissser Joey Kelly hat mir damals mal mit seinem Fan-Auflauf ziemliche Probleme gemacht….).

Plakat 1. Triathlon Ingolstadt

Plakat 1. Triathlon Ingolstadt

Gemeinsam mit Walter Knoll haben sie im Juli 1986 einen Triathlon in Ingolstadt initiiert und durchgeführt. Wie kam es zu der Idee?

Einen Triathlon in Ingolstadt auszurichten war unumgänglich! Mit Walter Knoll – Roland Knolls Vater – und drei ortsansässigen Vereinen musste das berühmte Wohnzimmer als Orga-Zentrale herhalten.
Ich erinnere mich, dass wir bei einem Ortstermin am Irgertsheimer See den schlechten Zustand der geplanten Wechselzone 1 beklagten. Eine Woche später stellten wir fest, dass die Stadt Ingolstadt das Stück zwischen Schwimmaussteig und Straße einfach für uns geteert hatte!
Die Idee des 1. Ingolstädter Triathlon kam insgesamt recht gut an. Eine Veranstaltung mit drei Sportarten war bis dato eben nicht bekannt. Auch die Kollegen der Polizei haben sich rasch eingestellt und für die folgenden drei Wettkämpfe, darunter auch eine Bayerische Meisterschaft, bekamen wir ausreichende amtliche Hilfe.
Aus meiner Sicht halten sich die Zuschauerzahlen auch heute nach wie vor in Grenzen, wenn die Strecken nicht durch die Innenstädte geführt werden; wir werden wohl immer eine Schubladensportart bleiben.

Heute gehört der Triathlon Ingolstadt, der durch Gerhard Budy organisiert wird, zu einer der größten bayerischen Veranstaltungen. Fast wären Sie einmal in das Orga-Team gerutscht. Wie kam das und warum hat es am Ende nicht geklappt? 

Gerhard Budy sprach mich auf der Straße, während ich auf Streife war, an und bat mich, die Organisation der Radstrecke zur Neuauflage des Ingolstädter Triathlons zu übernehmen. Ich war einen Augenblick lang nicht abgeneigt. Aber dann wurde mir die zeitliche Belastung bewusst, ich sagte ab und bat ihn um Verständnis.

 

Mann mit Motorradhelm

Fred Over im Kampfrichtereinsatz

In den Anfängen des Triathlons waren Sie federführend für den Aufbau des Kampfrichterwesens zuständig. Vor welchen Herausforderungen standen Sie in der Sportart, in der ja noch kein festes Reglement vorhanden war?

Als Abteilungsleiter Triathlon im SC Delphin hat mich Walter Knoll nach Pfofeld/Mfr. zu einem der ersten Verbandstage des BTV mitgenommen. Der damalige Präsident, Walter Pöhlmann aus Cham, suchte einen Lehrwart für die Kampfrichter- und Übungsleiterausbildung. Ich weiß nicht, wer damals durchgestochen hat, dass ich Aktiver und Polizeibeamter war – auf alle Fälle hatte ich plötzlich den Job und stellte Kampfrichterlehrgänge und eine Trainerausbildung mit dem BLSV auf die Beine.

Da Bayern schon damals in Deutschland mit Triathlon die Nase vorne hatte, galt es, diesen Ruf nicht nur zu verteidigen, sondern auszubauen.

Später bildete ich Bundeskampfrichter für die DTU und internationale Kampfrichter für die ETU aus und stieß dabei oft an Grenzen. Deutsche Bürokraten haben eben manchmal besondere Ansichten.

Der Sprung zur Technischen Kommission (TK) der DTU war eine Folge der oben erwähnten Ausbildung von Bundeskampfrichtern. Dazu kamen unter anderem die Einführung der Übersetzungs-Ablauflängen für Jugendliche und die Angleichung der temperaturabhängigen Neo-Regeln für Senioren.
Uns in der TK hat immer gestört, dass der Verbandstag der DTU unsere Regeländerungen meist en bloc abgestimmt hat, weil die Diskussionen darüber zu zeitraubend schienen.

Sie waren in der Folge als Wettkampfrichter national und international unterwegs. Welche Erlebnisse sind ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

1994, bei der EM in Eichstätt, muss ich Verantwortlicher der ETU gewesen sein, weil ich einen ausländischen ETU-Kampfrichter nach meines Erachtens übermäßigem Alkoholgenuss von der Tätigkeit ausschloss. Ob das zu einem internationalen Zwischenfall geführt hat, weiß ich nicht mehr. – Das hat man davon, wenn man als ETU einen Polizeibeamten internationale Kampfrichter ausbilden und einsetzen lässt (lacht).

1995, in Stockholm, verunglückte ein Teilnehmer der Junioren tödlich. Das hat uns ETU-Kampfrichter schockiert und sprachlos gemacht. Die Stadt hat nicht nur 1.000 Brücken, sondern gefühlt auch Hunderte von Kreisverkehren. Das TC der ETU, dem ich damals angehörte, hatte alles getan, um für Absicherung zu sorgen. Aber eine Unachtsamkeit bei den Absperrungen, ein unverständiger Autofahrer oder anderes reichten wohl aus. Eine tragische Erfahrung.

1996, in Szombathely, wollte man die Mariensteiner Junioren – angereist aus Eichstätt (!) – nicht starten lassen. Gemeinsam mit Sepp Vogel gelang es dann, die Startfreigabe durchzusetzen.

Bei einer Duathlon-EM in Slowenien, in Novo Mesto, bemerkte ich als Technical Delegate der ETU die vielen landwirtschaftlichen Zufahrten zur Radstrecke als Sicherheitsrisiko. Daraufhin fragte man mich, ob ich 200 oder 300 Soldaten zur Absicherung benötigte. Das Präsidium der ETU hatte uns TDs grundsätzlich zu Zurückhaltung bei Eingriffen in landesübliche Formalien angehalten und so „begnügte“ ich mich mit 100 Uniformierten – die Mindestzahl zum sicheren Ablauf. Zur Dopingkontrolle traf ich dann sechs Fotomodelle als Chaperons an.

Die schönste Location bei einer ETU-Veranstaltung erlebte ich in Mafra, Portugal, vor einem riesigen historischen Gebäude. Einem Barockpalast, der als Wettkampfzentrale und Zieleinlauf diente.

Ebenfalls 1994 durfte ich die Nationalmannschaft der DTU nach Wellington in Neuseeland als Kampfrichter zur dortigen WM begleiten. Zum ersten und letzten Mal erlebte ich auch einen Kongress der ITU mit dem damaligen Präsidenten Les McDonald. Dort fiel auch, wenn ich mich recht erinnere, die Erlaubnis, bei internationalen Wettkämpfen über 21 Grad Wassertemperatur einen Neoprenanzug zu nutzen. Das wurde dann auch auf die Regionen und Länder ausgeweitet.

Portrait

Fred Over

Was denken Sie, hat sich zwischen damals und heute im Bereich Wettkampf und Kampfrichterwesen verändert? Wi schätzen Sie diese Veränderungen ein? 

Ich kann nicht beurteilen, welche größeren oder kleineren Probleme das Kampfrichter-Wesen heute hat. Wir bewegten uns damals in der Übergangszeit zwischen dem Verbot des Windschattenfahrens und der schleichenden Freigabe, die letztendlich von der ITU mit Präsident Les McDonald den Medien zuliebe kam. Solange die TK der DTU mit mir arbeitete – oder ich mit ihr – verweigerten wir uns der Neutralität wegen sogar der Finanzierung der KR-Kleidung durch Sponsoren. Natürlich waren wir Kampfrichter nur Menschen, versuchten stets proaktiv zu entscheiden. Aber so manche dieser Entscheidungen musste aufgrund von Regelverstößen gefällt werden. Das ist heute sicher genauso. Unter Umständen macht die Verkehrsdichte heute auch die Planung von Radstrecken schwieriger. Die Beschwerden von Menschen, die sich am Veranstaltungstag ihrer gewohnten Wegstrecken beraubt sehen, sind heute die gleichen wie damals. Da hilft auch keine noch so detaillierte Vorabinformation.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich keine Minute meiner Funktionärstätigkeit wirklich bereue. BTV, DTU und die ETU hatten in mir einen altruistisch angehauchten Bürokraten gefunden, der zu vielen Dingen einfach ja gesagt hat, und sie gemacht hat.

Vielen Dank, Herr Over!

Der Beitrag erschien im Rahmen der Serie „40 Jahre Triathlon in Bayern“. Alle Beiträge finden Sie hier.

Fotos: private Aufnahmen