Als Triathlon noch in den Kinderschuhen steckte: die Anfänge des Rothsee-Triathlon

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Sportler rennt ins Wasser

„Eine Gemeinschaft für Kinder, Jugendliche und Breitensportler schaffen.“ Mit diesem Gedanken wurde Ende 1987 nicht nur die Triathlonabteilung des damaligen SC Roth 1952 gegründet, sondern auch die Idee zum Rothsee-Triathlon geboren.

Knapp eineinhalb Jahre arbeiteten die sechs Gründungsmitglieder daraufhin mit Abteilungsleiter Dietmar Schuster daran, den ersten Triathlon umzusetzen. „Dabei war unser Anspruch, wie die Veranstaltung abzulaufen hatte, und was sie den Teilnehmern bieten solle, hoch“, erinnert sich Dietmar Schuster heute.

Premiere mit 300 Teilnehmenden

Während Dietmar Schuster selbst bereits einige Triathlonrennen absolviert hatte, wussten sowohl Mitorganisatoren, als auch Helfer noch nicht im Detail, was ‚Triathlon‘ eigentlich bedeutet. „Vielleicht bekamen die Meisten noch hin, welche Sportarten zu absolvieren sind. Spätestens jedoch, bei der Frage nach der Reihenfolge, hätten viele keine Antwort mehr gehabt.“

Entsprechend gefordert war der Orga-Leiter als einziger Ansprechpartner vor der Premiere: Am Main-Donau-Kanal, der Schwimmstätte, die zu der Zeit noch im Bau war, gab es weder Trinkwasser-, noch Stromversorgung. Das benötigte Material, wie Radständer, war im Vorfeld selbst ausgeklügelt und gemeinsam gebaut worden. Das Team musste angelernt werden.

Sportliche Herausforderung und Neugierde zogen im Sommer 1989 schließlich 330 Mutige an. Sogar internationale Beteiligung aus Amerika, den Niederlanden, der DDR und Polen gab es. Über die Leistung der Teilnehmer war ebenfalls wenig bekannt – Favoriten gab es nicht. So siegte der junge Stephan Bormann aus der zweiten Startgruppe vor SC Mitglied Thomas Bernreuther. Bei den Damen gewann Claudia Hiereth (heute Dorr).

Die Auswertung lief übrigens auch damals bereits digital ab: mit einer Commodore 64 Spielekonsole und 64KB Arbeitsspeicher. „Wir sahen häufiger die Sanduhr, als die Ergebnisse auf dem Bildschirm“, kann Dietmar Schuster heute über die Schwierigkeiten im Premierenjahr lachen. Urkunden gab es für jeden Finisher handgeschrieben. Am Ende saß der Orga-Leiter „fix und fertig“ im Ziel. Doch das Niveau der Veranstaltung sprach sich schnell herum. So war der Grundstein für den Rothsee-Triathlon erfolgreich gelegt.

Als ob ein Rennen nicht genug Aufregung bedeutet hätte: Neben dem Rothsee-Triathlon wagte sich das Team direkt bei der Erstauflage auch an einen Schüler- und Schnupper-Triathlon heran, der mit 125 Startenden als gleich zu deutschlands größter Nachwuchsveranstaltung aufstieg.

Rothsee-Triathlon ohne Rothsee

Obwohl der Rothsee-Triathlon von Beginn an diesen Namen für sich beanspruchte, wurde das Rennen in den ersten acht Jahren im Main-Donau-Kanal gestartet. Der Rothsee war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt: Erstmals voll geflutet war das Gewässer, das als  Zwischenspeicher der Donau-Main-Überleitung künstlich angelegt wurde, im Herbst 1993. Das Orga-Team des SC Roth jedoch, hatte den Umzug in den Rothsee von Beginn an im Blick.

Ein besonderes Jahr in Sachen Schwimmen war 1991, erinnert sich Orga-Leiter Dietmar Schuster. Im Kanal, der damals noch nicht für den Schiffsverkehr freigegeben war, hatten sich Algen ausgebreitet, die bis an die Wasseroberfläche wuchsen. Während sich die Schwimmerinnen und Schwimmer des „Ironman Europe“ zwei Wochen zuvor noch durch das Wassergewächs wühlten und mit grünem Behang aus dem Wasser kletterten, wurde das Team des SC Roth 1952 kreativ. Kurzerhand organisierte ein Mitglied zwei Traktoren. Diese fuhren auf beiden Seiten der Wasserstraße und „mähten“ die Algen mit einem langen Stahlseil. Ein weiterer Trupp fischte das Gewächs aus dem Wasser und transportierte es mit einem Schlauchboot an das Ufer. Die Teilnehmer schätzten den Einsatz. Nicht so begeistert war hingegen das Wasserwirtschaftsamt, das im Nachgang den Abtransport und die Entsorgung der Algenmassen forderte.

Jaques Cousteau gibt Startschuss

Fast schon wie eine Belohnung wirkt da der Besuch des berühmten Meeresbiologen Jaques-Yves Cousteau im gleichen Jahr. Der Franzose war mit seinem Forschungsschiff „Calypso“ auf dem Weg zum Schwarzen Meer. Als er von dem bevorstehenden Triathlonrennen erfuhr, unterbrach er diese Reise und besucht den Schüler- und Schnupper-Triathlon. Bereitwillig gibt er nicht nur den Startschuss von einem kleinen Motorboot aus, sondern gibt auch Autogramme und Interviews, während er von seinem Begleitteam gefilmt wird.

Neben dem Rummel um den interessierten Wissenschaftler zogen zwei weitere prominente Gäste die Aufmerksamkeit auf sich: Roths Bürgermeister Hans Weiß und der Showmaster Harry Wijnvoord lösten ein Versprechen ein und gingen selbst an den Start.

Schwimmer im Freiwasser

Der Rothsee-Triathlon macht seinem Namen alle Ehre

1994 war es dann erstmalig so weit: Der Rothsee-Triathlon machte seinem Namen alle Ehre. 763 Teilnehmerinnen und Teilnehmer stürzten sich das erste Mal in das Wasser des Großem Rothsees. Obwohl der Start nur wenige hundert Meter vom angestammten Ort entfernt lag, war der Umzug nicht so einfach zu bewerkstelligen, wie man meinen mag. „Die Behörden waren vor der ersten Auflage am Rothsee sehr vorsichtig. Genaue Lagepläne bis ins Detail mussten erstellt werden“, berichtet Dietmar Schuster und meint weiter, „Dabei hat man bei der Ortsbegehung immer erst einmal eine grobe Vorstellung und muss sich diese während des Aufbaus erarbeiten.“

Mit Tennisschläger zur Aeroposition

In den Anfangsjahren des Triathlon gab es noch kein passendes Material. Aus den einzelnen Disziplinen wurden Badehosen, Rennräder und Laufschuhe mitgebracht. Stück für Stück überlegten sich findige Sportler jedoch spezifische Verbesserungen der „normalen“ Sportgeräte. Wie das dann aussah, beweist Dietmar Schuster, der den Rothsee-Triathlon zwischen 1989 und 2008 federführend plante und durchführte, mit einem Foto. Auf der vergilbten Aufnahme sieht man das Rad des Triathlon-Urgesteins Kurt Einsiedel neben dem einiger Konkurrenten stehen. Während bei den anderen Rädern bereits weit ausladende Lenker mit Bogen nach vorne zu sehen sind, hat sich der Wendelsteiner Kurt Einsiedel mit einem hölzernen Tennisschläger beholfen. Sehnen wurden entfernt, der Griff abgesägt und das Rund kurzerhand auf dem normalen Rennlenker fixiert. Fertig war der Aerolenker.

Am Triathlon-Limit

Neben solchen Ereignissen gibt es zahlreiche Anekdoten.
In einer alten Ergebnisliste, erinnert sich Dietmar Schuster, findet sich beispielsweise „Max Mustermann“. Selbstverständlich hieß der Sportler, der sich dahinter verbarg, anders. „Damals kam der Athlet nach dem Rennen zum Ergebnisdienst und bat darum, aus der Ergebnisliste gestrichen zuwerden“, berichtet der Orga-Leiter. „Als man ihm erklärte, dass das nicht so einfach wäre, erzählte er, dass sein ‚Triathlon-Limit‘ von fünf Rennen pro Saison bereits überschritten wäre und seine Frau auf keinen Fall von seinem Start erfahren dürfe. Dann haben wir eben nach einer Lösung gesucht.“

Fahrräder auf Wiese

Mikro gegen Neo getauscht

Ebenfalls unerkannt wäre 1996 gerne Musiker Joey Kelly geblieben. Der Teenie-Schwarm absolvierte damals seinen ersten Triathlon – nicht ohne Hindernisse. Spätestens jedoch, als Kelly sich des viel zu großen Neoprenanzugs entledigen musste, und er daraufhin die bereits begonnene Schwimmstrecke mit Verzögerung nochmals in Angriff nahm, lag die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf dem Star. Bis zum Schluss fieberten sie mit ihm mit. Das abschließende Stück der Laufstrecke wurde er dann sogar von einer Helferin und Fan begleitet. Sie holte sich direkt im Ziel ein Autogramm ab

„Die ursprüngliche Idee bei der Gründung der Triathlonabteilung, eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu schaffen, ist an vielen Stellen noch spürbar, auch, wenn sich der Sport stark weiterentwickelt hat.
„Wir sind Unterstützern, unseren Helferinnen und Helfern und den Teilnehmern unglaublich dankbar. Für viele Situationen, die wir nur in Schlaglichtern darstellen können, die wir jedoch Jahr für Jahr erleben. Wir freuen uns auf 2025“, sagt Matthias Fritsch als einer der Orga-Leiter des Rothsee Triathlon Festivals.

Der Beitrag erschien im Rahmen der Serie „40 Jahre Triathlon in Bayern“. Alle Beiträge finden Sie hier.

Fotos: Memmert Rothsee Triathlon