Mit 74 Jahren feiert Gerhard Müller noch immer Erfolge
Im Juni erschien das Buch „Reife Leistung: Mit Sport dem Alter trotzen. Inspirierende Geschichten von Menschen über 70“. Der Journalist Christoph Cöln zeigt am Beispiel von elf Seniorensportlerinnen und -sportlern, wie man noch im hohen Alter Unglaubliches aus sich herausholen kann. Unter den Portraitierten ist auch Gerhard Müller. Der Triathlet des TDM Franken gehört mit 74 Jahren zu den ältesten Sportlern in Bayern – und sicher auch zu den erfahrensten. 411 Triathlons stehen nach der Saison 2020 zu Buche. Wir haben uns mit ihm unterhalten.
Hallo Gerhard,
im Buch von Christoph Cöln findet sich Dein Porträt neben zehn weiteren inspirierenden Senioren-Sportlern. Was eint euch, obwohl ihr in verschiedensten Sportarten aktiv seid?
In welcher Sportart man sich betätigt ist nicht so wichtig, finde ich. Hauptsache man macht etwas und es bringt Freude und Spaß. Ich denke, das eint alle portraitierten Sportlerinnen und Sportler im Buch!
Christoph Cöln schrieb mich an – nicht wegen Triathlon – sondern weil er in der Zeitschrift „Hand-Woche“ gelesen hatte, dass ich seit 64 Jahren aktiv Handball spiele und mit 1.624 Spielen einen Rekord aufgestellt habe. Denn ich begann meine Sportleidenschaft mit Handballspielen und bin seit dem 11. Lebensjahr dabei. Freunde und Kameradschaft waren damals für mich wichtig und sind es auch heute noch. Erst mit 18 kam ich ja dann zum Laufsport. Das war 1964. Die Urkunde meines ersten Crosslaufs in Ansbach ist immer noch vorhanden.
Was macht für dich nach wie vor den Reiz des Sporttreibens aus?
Bewegung, frische Luft, Training der Muskeln, Schließen neuer Kontakte – all diese Punkte geben mir die Chance älter zu werden als andere Personen. Bis auf Stabhochsprung und Klettern kann man jede Sportart mit mir machen. Ich bin stolz darauf, dass ich beispielsweise auch 42 Mal das das bayerische und deutsche Sportabzeichen erreicht habe, dass ich immer noch mit Freunden Bowling,Tischtennis oder Tennis spiele. Dass ich alles mit der linken oder rechten Hand oder Fuß machen kann.
Du bist seit über 50 Jahren im Ausdauersport unterwegs. Dabei dürfte diese Saison die wohl Außergewöhnlichste gewesen sein. Doch auch eine Wettkampfabsage nach der anderen konnte dich nicht stoppen. Wo warst du am Start und hattest du dennoch Freude an den Rennen?
411 Wettkämpfe über 33 Jahre hinweg ergibt über 12 Rennen pro Jahr. Meist waren es olympische- oder Mitteldistanzen aber auch sieben Langdistanzen. Ich war an 114 verschiedenen Wettkampforten. In diesem Jahr bin ich über 600 Kilometer mit dem Auto für ein einziges Rennen über 200m Schwimmen, 9,5km Radfahren und 2,5km laufen gereist. Verrückt, normalerweise würde ich das nie machen. Aber wenigsten einen Wettkampf wollte ich 2020 absolvieren.
Danach habe ich in ganz Deutschland gesucht, ob vielleicht noch weitere Wettkämpfe stattfinden. Denn ich hatte 32 Jahre ununterbrochen das Goldene Sportabzeichen absolviert und wollte das auch dieses Jahr erreichen. So reiste ich noch nach Oettingen, Thiersee (Kufstein), München, Weiden, Schleusingen (Suhl) und Greifensee (Zürich) und machte zwei virtuelle Rennen „in“ Herzogenaurach und „am“ Schliersee. So erreichte ich 11 Wettkämpfe in neun Wochen.
Alle fünf Jahre bereitest Du dich auf eine Langdistanz vor. Im nächsten Jahr bist Du für den Challenge Roth gemeldet. Auf was freust Du dich besonders?
Ich habe schon Langdistanzen in Frankfurt, Zürich, Kulmbach mitgemacht. Doch die Frage lässt sich leicht beantworten: Roth ist in allen Bereichen absolute Spitze.
Gibt es aus über 30 Jahren Triathlon und über 400 Wettkämpfen ein Ereignis, das heraussticht? Ein Rennen, an das Du dich besonders erinnerst?
Ach , es gibt viele schöne Erinnerungen und Anekdoten bei Wettkämpfen. Meine Urkunden, Ergebnislisten, Fotos und Zeitungsausschnitte erinnern mich daran. Dass ich in meinem Sportkeller alle T-shirts aufgehoben habe, wussten bisher die wenigsten. Aber es gibt schon einige “Lieblinge”. Da wären die des Schliersee-Triathlon. Zwischen der Premiere 1988 und 2018 war ich ununterbrochen dabei – 31 Mal! 2019 hatte ich leider eine Woche vor dem Wettkampf einen unverschuldeten Radunfall. 2020 ist er ausgefallen. Beide Male habe ich dieses Jahr “virtuell” nachgeholt.
2046 werde ich mit 100 Jahren meinen letzten Wettkampf bestreiten. Freue mich jetzt schon auf viele Athleten, die mich dann begleiten, damit nichts passiert.
Vielen Dank für das Interview!
© Text: Christine Waitz; [17.10.2020]; Fotos: Gerhard Müller