Julia Seibt: „Traut euch mehr zu!“

Ein Schwimmseminar nur für Frauen – das Angebot des Bayerischen Triathlon-Verbandes nahmen zahlreiche Sportler*innen an. Am Samstag nun geht es ins Becken. Am Rand wird Julia Seibt stehen. Sie ist hauptberuflicher Coach. Sie unterstützt Sportlerinnen und Sportler dabei, Ziele zu erreichen. Doch warum braucht es dazu spezielle Angebote für Frauen? Wir haben uns mit ihr unterhalten.

Hallo Julia,
am Samstag betreust Du ein Schwimmseminar nur für Frauen des Bayerischen Triathlon-Verbandes. Weshalb denkst Du, ist solch ein Angebot wichtig?

Ganz in mir drin glaube ich, dass wir solche Angebote eigentlich gar nicht brauchen, weil wir vor allem im Triathlon so viele Powerfrauen haben. Leider sind sie trotzdem manchmal nicht selbstbewusst genug und stehen zu ihrem Können. Deswegen denke ich, dass viele Frauen nicht zu einem Seminar gemeinsam mit Männern gehen würden, weil Frau ja vielleicht zu schlecht dafür ist. Und da sind wir an dem Punkt, wo wir dann tatsächlich Veranstaltungen nur für Frauen brauchen! Damit sich einfach mehr Frauen trauen, an Seminaren und Weiterbildungen teilzunehmen, ohne Angst davor haben zu müssen, im Vergleich zu Männern schlecht dazustehen. Dazu gibt es meiner Meinung nach aber gar keinen Grund, also hier an alle Frauen: Traut euch da auch einfach mal mehr zu! 

An der Stelle aber auch noch eine kleine Anmerkung nebenbei, und ich glaube, weil ich eine Frau bin, darf ich das auch sagen: Seminare nur für Männer wären auch eine gute Idee. Ich kann mir nämlich auch vorstellen, dass sich viele Männer nicht trauen in ein gemischtes Seminar zu gehen, weil man eventuell schlechter sein könnte als teilnehmende Frauen. 

Schwimmen ist für Triathletinnen und Triathleten oft die ungeliebte Disziplin. Wie lässt sich das aus deiner Sicht ändern? Woran hakt es?

Das größte Problem am Schwimmen ist, dass die meisten Altersklassen-Athleten oder auch Quereinsteiger, die spät mit Triathlon angefangen haben, nie wirklich Schwimmen gelernt haben. Je älter man ist, desto schwieriger wird es aber das Element Wasser lieben zu lernen. Kalt, nass, ungewohnte Umgebung, das sind alles keine verlockenden Parameter. Dann kommen noch die Schwimmbedingungen dazu, die oft aus vollen Bahnen bzw. zu wenig Platz zum Schwimmen und einer langen Anfahrt und damit viel Zeitaufwand bestehen. 

Wenn dann mal die Hürde genommen ist, ist das Beste, was die Sportler*innen tun können, so oft wie möglich ins Wasser zu gehen. Am besten ist da wirklich mindestens dreimal pro Woche. Je öfter man ins Wasser geht, desto besser wird das Wassergefühl, desto leichter wird es, sich im Wasser fortzubewegen. Und dann muss man einfach dran bleiben, auch wenn es am Anfang zäh ist.

Als Coach betreust Du zahlreiche Sportlerinnen und Sportler. Wie groß sind die Unterschiede in Herangehensweisen zwischen Männern und Frauen wirklich? Was ist speziell bei der Betreuung von Athletinnen zu beachten?

Natürlich ist jede Sportlerin und jeder Sportler generell unterschiedlich. Deswegen ist es schwierig, eine Aussage zu treffen, die wirklich auf alle Frauen oder alle Männer zutrifft. Es zeichnet sich aber ab, dass Frauen sehr viel betreuungsintensiver sind. Während Männer oft ihren Trainingsplan einfach nur abarbeiten, muss ich bei Frauen sehr viel mehr kommunizieren und auch viel öfter deutlich machen, dass es ok ist, wenn Einheiten mal nicht ganz rund laufen. Frauen sind viel verkopfter als Männer. Aber ich trainiere auch Frauen, die genau das Gegenteil sind, oder auch Männer, die in dem Fall ticken wie die meisten Frauen. Ich unterscheide beim Coaching nicht zwischen Geschlechtern, es sind eben alles Individuen, von denen jede Person ihren eigenen Körper, Ecken und Kanten und ihre Eigenheiten hat, da muss man als Coach einfach individuell agieren. 

Du hast dich schon in deiner Jugend als Trainerin engagiert. Welche Lichtseiten hat der Beruf, welche Schattenseiten?

Für mich hat der Beruf Trainerin keine Schattenseiten – ich wollte schon immer Trainerin sein und bin schon früh eingestiegen. Klar läuft man als junges Mädel, bei einem vor allem durch Männer dominierten Beruf (vor allem im Triathlon), ab und zu gegen Wände, aber ich habe alles immer als Herausforderung gesehen und bin daran gewachsen. Ohne manch dämlichen Kommentar oder Seitenhiebe, die ich einstecken musste, wäre ich jetzt vielleicht nicht die Trainerin, die ich heute bin. Triathlontrainerin sein, ist so abwechslungsreich und fordernd, da ist jeder Tag anders und man kann sich als Mensch immer weiterentwickeln. Was manche vielleicht als Schattenseite sehen würden, ich aber nicht tue, ist, dass es eben ein Fulltime-Job ist. Coach sein kann man nicht einfach so abstellen, ich zumindest nicht, ich bin immer mit einem kleinen Teil von meinem Kopf bei meinen Sportlern. 

Als Landestrainerin betreutest du schon acht Jahre lang Nachwuchs. Welchen Tipp würdest du Trainerinnen und Trainern mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche zum Sport zu bringen und dort zu halten?

Als Trainer*in im Kinder und Jugendbereich ist es ganz wichtig, den Kids Spaß an der Sportart zu vermitteln und nicht schon zu früh zu viel zu wollen, auch wenn ein Kind sehr talentiert ist. Da muss man auch ganz vorsichtig sein bei übermotivierten Eltern, die ihre Kinder mehr oder weniger zum Sport zwingen. Das kann gut gehen, meist tut es das aber nicht. Deswegen sollte man die Kinder unterstützen, wenn man merkt, dass das Kind nur den Sport macht, weil die Eltern es möchten.

Dann ist vor allem eine vielseitige allgemeine Grundausbildung wichtig. Also nicht alles nur auf Schwimmen, Rennradfahren und Laufen beschränken. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Kids sportlich nach vorne zu bringen. Das reine Triathlontraining kommt noch früh genug und wenn von Anfang an Freude dabei ist, kommt auch der Erfolg. Mit dem Erfolg bleiben die meisten dann auch lange unserer schönen Sportart treu.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview ist Teil des Adventskalenders 2022. Mehr starke Frauen gibt es dort.

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