BTV-Talente zur Leistungsdiagnostik bei iQ-move Erlangen

Um eine optimale sportliche Entwicklung junger Talente zu ermöglichen, bedarf es genauer und individueller Trainingsplanung. „Nur durch regelmäßige Leistungsdiagnostiken kann man die wichtigen Daten zur zuverlässigen Erfolgskontrolle und Steuerung des Trainings erhalten,“ erklärt Stephen Bibow, der am Bundesstützpunkt Triathlon die jungen Athletinnen und Athleten an den Leistungssport heranführt und auch für die Elite-Gruppe Roland Knolls die Diagnostiken plant und durchführt. Eine Kooperation mit Dr. med. Leonard Fraunberger und seiner sportmedizinischen Praxis iQ-Move in Erlangen bietet seit einiger Zeit die Chance regelmäßig Leistungsdiagnostiken durchzuführen, um so Daten für eine noch gezieltere Steuerung zu erhalten.

Wir haben uns mit Stephen Bibow und Dr. med. Leonard Fraunberger über die Kooperation unterhalten.

Hallo Stephen,

als Coach möchtest Du die sportliche Entwicklung der Athletinnen und Athleten so perfekt wie möglich gestalten. Wie helfen Dir  Leistungsdiagnostiken dabei?

Stephen Bibow während des Leistungstests

Eine Leistungsdiagnostik ist für mich ein Blick in die „Black Box“, die die Leistungszusammensetzung einer Athletin oder eines Athleten sonst ist. Im normalen Trainings- und Wettkampfbetrieb kann ich natürlich ein Ergebnis sehen und auswerten. Ich kann jedoch nicht mit Sicherheit sagen, wie sich die erzielte Leistung zusammensetzt. Ich kann nicht sehen, welche Systeme und Stoffwechselwege bedient wurden, ich kann nicht abschätzen, welcher Teil des Ergebnisses körperlichem Vermögen zuzurechnen ist und welcher Teil möglicherweise auf die mentale Situation oder äußere Faktoren des Test- oder Rennens zurückgeht.

Eine Leistungsdiagnostik hingegen bringt ein wenig Licht ins Dunkel. Diese Quasi-Objektivität kann dann als  Grundlage für unsere Trainingssteuerung dienen und später als ein Parameter zur Beurteilung der Leistungsentwicklung wiederhergezogen werden.

Welche Erkenntnisse bringen Dir die Leistungsdiagnostiken und was erhoffst Du Dir davon?

Jede Athletin und jeder Athlet ist verschieden. Es mag sein, dass das gleiche Ergebnis in einem Feldtest oder Rennen physiologisch gesehen auf unterschiedliche Art und Weise zustande gekommen ist. Eine Leistungsdiagnostik legt mir die individuellen leistungsphysiologischen Parameter dar, die dem Resultat zugrunde liegen. Diese Erkenntnisse führen dazu, dass wir das Training der einzelnen Athletinnen und Athleten sehr gezielt anpassen können. Das Ziel ist natürlich, so eine optimale Leistungsentwicklung zu gewährleisten – eine Art Schlüssel-Schloss-Prinzip. Dies braucht jedoch viel Zeit, Erfahrungen und ein detailliertes Arbeiten.

Wie können die individuellen Unterschiede, die zu einer Leistung führen, aussehen und wie wirken sich die Unterschiede auf das Training aus?

Wir erstellen Schritt für Schritt ein umfangreiches metabolisches Profil der Athletinnen und Athleten. Wir sehen uns dabei unter anderem an, auf welche Art und Weise die Leistungen zustande kommen. Von Bedeutung ist, welche Systeme und Stoffwechselwege überwiegend genutzt werden und besonders welcher Teil dann die Limitierung nach oben hin darstellt. Es stellen sich beispielsweise die Fragen, wie stark das individuelle aerobe und das anaerobe Stoffwechselsystem ist. Oder welches “Kettenglied” innerhalb eines dieser Systeme am schwächsten ist und die gesamte Leistung limitiert.  Einfach gesagt: Wir messen und schätzen ab, wie der stark der “Motor des Menschen” (aerobe und anaerobe Energiebereitstellung) ausgeprägt ist, wie er sich zusammensetzt und welche Stellschrauben zu bedienen sind, um weitere individuelle Fortschritte zu machen.

Die Trainingssteuerung erfolgt im Anschluss nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Verschiedene Trainingsmethoden führen zu unterschiedliche physiologische Trainingsanpassungen. Hierzu suchen wir tendenzielle Allgemeingültigkeiten, aber auch individuelle Antworten. Genau an diesem „Finetuning“ wird Schritt für Schritt gearbeitet. Wir  versuchen herauszufinden, welches Training bei welchen Körpern bzw. metabolischen Profilen zu welchen leistungsphysiologischen Veränderungen in der aeroben und anaeroben Kapazität führt.

Was wir bereits feststellen konnten ist, dass wir drei Typen unterscheiden möchten: 1. aerobe Typen mit einer relativ starken anaeroben Komponente (tendenziell schnellkräftigere Triathleten), 2. sehr aerobe Typen mit einer schwächeren anaeroben Komponente und 3. tendenziell ausgeglichene Mischtypen (aerobe oder sehr aerobe Typen mit einer “optimalen” anaeroben Komponente). Langfristig möchten wir möglichst genau definieren können, welche Trainingsmethoden bei den unterschiedlichen Typen welche Anpassungen bezogen auf das metabolische Profil bewirken. Muss beispielsweise die Laktatbildungsrate als ein Ausdruck der anaeroben Energiebereitstellungsmöglichkeit gesenkt oder erhöht werden, um auf der Sprintdistanz ganz vorne mit dabei zu sein? Welche Trainingsmethoden eignen sich dafür? Oder auch: Braucht eine Sportlerin oder ein Sportler mehr Training für die zentrale Ausdauer, um das Herzkreislauf-System, Atmung, Blut, Auswurffraktion des Herzens zu trainieren, oder eher für die periphere Ausdauer und damit für die Sauerstoffverwertung der Antriebsmuskeln?

Sicherlich hat man diese Individualisierung des Trainings bereits vorher betrieben. Die Basis dafür lag aber oft mehr in der Erfahrung und im Gefühl eines Trainers, was auch sehr gut funktionieren kann. Wir kennen sehr erfolgreiche Trainer, die ohne solche Diagnostiken erfolgreich sind. Die Kooperation mit iQ-Move bringt uns als Trainer jedoch mehr Sicherheit, das Training bestmöglich steuern zu können, ohne uns ausschließlich auf das Gefühl verlassen zu müssen. Sie bringt für den Athleten noch mehr Vertrauen, wenn man Leistung und Leistungsentwicklung sichtbar und erklärbar machen kann.

Hallo Herr Dr. Fraunberger,

bereits seit 2010 liegt einer der Fokusse von iQ-Move auf sportmedizinischen und trainingswissenschaftlichen Untersuchungen. Was macht die Zusammenarbeit mit Leistungssportlerinnen und -sportlern besonders interessant?

Im Leistungssport geht es im Trainings- und Wettkampfbetrieb oft um sehr hohe Belastungen für den Körper, aber auch für den Geist. Mit sportmedizinischen Untersuchungen können wir versuchen, die jeweiligen Auswirkungen der Belastungen auf möglichst vielen Ebenen abzubilden. Die Steuerung des Trainings ist von daher eine Gratwanderung zwischen einer möglichst hohen Belastung, um einen maximalen Trainingsfortschritt zu erzielen, aber auf der anderen Seite die Sportler auch nicht überzubelasten. Denn zu hohe Belastungen führen zum Trainingsausfall und im schlimmsten Fall zu dauerhaften Schädigungen z.B. am Herzen, am Muskel-/Sehnen-/Knochenapparat oder auch im Hormonhaushalt.

Mit der Sportmedizin können wir Trainern helfen die Belastungen in Kombination mit der erforderlichen Regeneration für jeden einzelnen optimal zu dosieren. Damit kann die physische, aber auch die psychisch-mentale Fitness dauerhaft gestärkt werden.

Die Zusammenarbeit im Team aus TrainerInnen, SportmedizinerInnen und SportlerInnen ist sehr interessant und macht auch sehr viel Spaß, da wir versuchen zusammen neue Methoden und Möglichkeiten der Diagnostik zu entwickeln und auszuprobieren. Denn nur ein gesunder Geist in einem gesunden Körper kann auch auf Dauer Höchstleistungen bringen und dann gut sein, wenn es drauf ankommt.

Wie unterscheiden sich Diagnostik, Auswertung und Empfehlungen von LeistungssportlerInnen zu Hobby- und BreitensportlerInnen?

Hobby- und BreitensportlerInnen profitieren von den Erkenntnissen aus dem Leistungssport, jeder Mensch reagiert auf die gesetzten Trainingsreize auch ähnlich. Wichtig ist eine vorsichtige, dem jeweiligen Trainings- und Gesundheitszustand angepasste Steuerung der Belastung. Jemand der neu mit regelmäßiger Bewegung/Sport anfangen möchte, v.a. Menschen älter als 35 Jahre und/oder WiedereinsteigerInnen, sollte sich möglichst vorher sportmedizinisch auf seine Sporttauglichkeit untersuchen lassen. Mit zunehmenden Alter steigt das Risiko für Herz-/Kreislauferkrankungen deutlich, dieses kann damit evtl. vorher erkannt werden und weitere Maßnahmen (z.B. Herzkatheter) eingeleitet werden.

Für jeden Menschen ist wichtig, für sich das jeweils optimale Maß an Bewegung zu finden. Nach Empfehlung der WHO sollte dies mindestens 150 Minuten pro Woche betragen, z.B. regelmäßig mit dem Hund Gassi gehen, Wandern, Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, etc. 3 x 50-60 Minuten bei ca. 60-70% der maximalen Herzfrequenz. Mit einer sportmedizinischen Untersuchung kann dies sehr genau, wie für die LeistungssportlerInnen, definiert werden. Weiterhin können auch Erfolge sichtbar gemacht werden und das motiviert dann nochmal auch dranzubleiben. Das Risiko für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, eine Krebs- oder Demenzerkrankung wird mit regelmäßiger Bewegung um bis zu 50% reduziert, das schafft kein anderes Medikament! Auch das Risiko für einen schweren Verlauf bei einer SARS-CoV-2-Infektion kann damit deutlich gesenkt werden!

Die Sportmedizin kann hier jedem Menschen helfen, ggf. Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen oder auch ganz zu vermeiden: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.

Bewegung ist Medizin!

Vielen Dank für das Interview!

© Text: Christine Waitz; Fotos: BTV [22.04.2021]